Gibt es so etwas wie ideale Standortfaktoren für Unternehmen? Haben vernetzte Großstädte einen Vorteil gegenüber Standorten in der Provinz? Solche Fragen lassen sich leider nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten. Es lohnt sich, das Thema genauer unter die Lupe zu nehmen.
Es wird Sie wenig überraschen, wenn wir Ihnen verraten, dass die Standortfaktoren für Unternehmen je nach Geschäftsmodell variieren. Es ist schon ein Unterschied, ob Sie sich mit einem Softwareunternehmen selbstständig machen möchten oder mit einem Pflegedienst. Erster Fall erfordert jungen Nachwuchs, den man beispielsweise in einer Universitätsstadt findet. Letzterer lohnt sich eher an einem Standort mit überwiegend älteren Einwohnern.
Im Startup-Buch “Machen!” betonen die mymuesli-Gründer Hubertus Bessau, Philipp Kraiss und Max Wittrock, dass gerade zu Beginn die weichen Standortfaktoren für Unternehmen eine Rolle spielen. Als Gründer werden Sie in der Anfangsphase viel Zeit an Ihrem Arbeitsplatz verbringen und sollten sich deshalb dort auch wohlfühlen. Entsprechend spielen Faktoren wie Familie und Freunde in der Nähe zu haben, bezahlbare Lebenshaltungskosten und nicht zuletzt der Wohlfühlfaktor eine große Rolle für den Gründer.
Für das Unternehmen selbst haben sowohl Standorte in großen, vernetzten Städten als auch in der gern belächelten “Provinz” ihre Vor- und Nachteile. Während in einer Kleinstadt die Mieten niedrig und die Wege kurz sind, gibt es hier weniger (Gründer-)Netzwerke, Schwierigkeiten beim Recruiting und häufig eine schlechte Verkehrsanbindung.
Vor solchen Problemen ist man in der Großstadt sicher. Dafür wimmelt es hier von mächtiger Konkurrenz und Gründer müssen von Anfang an tief in die Tasche greifen, um Büromieten und “Großstadtgehälter” zahlen zu können.
Wir selbst machen bei unseren Kunden immer wieder die Erfahrung, dass es Business-Modelle gibt, die sich durchaus für die Großstadt eignen, zum Beispiel bei unserer Gründerberatung in Berlin, Köln oder Leipzig. Doch wir haben auch Fälle, bei denen die oben aufgeführten weichen Standortfaktoren für die Unternehmen deutlich überwiegen – etwa bei Gründerberatungen in Gera, Essen oder Cottbus.
Eine professionelle Standortanalyse für Gründer kann hier Klarheit verschaffen. Sie erörtert die individuellen Anforderungen des Gründers an seinen zukünftigen Unternehmensstandort, behält aber auch die Bedürfnisse des Business-Modells im Blick.
Professor Christoph Müller von der HBM Unternehmerschule der Universität St. Gallen hat Anfang des Jahres 2018 Deutschlands Weltmarktführer genauer untersucht und ist dabei auf 461 deutsche Weltmarktführer gestoßen, die aus der Provinz heraus erfolgreich ihr Business führen. Darunter sind viele Firmen, die sich in Nischenmärkten etabliert haben. Beispielsweise so namhafte Unternehmen wie die BASF SE (Hauptsitz: Ludwigshafen am Rhein, rund 164.000 Einwohner), die Adidas AG (Herzogenaurach, rund 24.500 Einwohner), SAP (Walldorf, rund 16.000 Einwohner) oder Faber-Castell (Stein, rund 14.600 Einwohner).